Politische Kommunikation: Warum Regierungen (kommunikativ) stolpern
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Regierungen sind an der Macht, können gestalten und haben so in der Kommunikation die vermeintlich leichtere Aufgabe, als ihre politischen Gegenspieler. Aber nur auf den ersten Blick. Und zudem ist klar: Es gibt kein kompetitiveres Kommunikationsumfeld als die Politik.
Opposition als JĂ€ger, Regierung als Gejagte
Die Rollen sind von Beginn an klar verteilt: Die Opposition ist die kommunikative JĂ€gerin, die Regierung die kommunikativ Gejagte, wenngleich Regierungen natĂŒrlich auch mĂ€chtige Vorteile ausspielen können:
- Die Kraft der proaktiven und gestaltenden Rolle.
- Deutlich mehr Ressourcen â von der KapazitĂ€t bis zum Budget.
- Und die Königin jeder Kommunikation als andauernde Begleiterin: die Aufmerksamkeit.
Wenn dann noch König Content gekonnt gespielt wird, hat das schon Kraft.
Um all diese Vorteile muss die Opposition in der Regel enorm kĂ€mpfen, sie muss sich profilieren â und da setzt die Opposition eben auf Opposition, gegenteilige Ăberzeugungen, Meinungen, Ziele. Der Regierung fallen die strategischen Vorteile hingegen quasi in den SchoĂ.
Die Bevölkerung
Doch eine wesentliche Stakeholdergruppe fehlt hier noch: die Bevölkerung. Sie stellt ihre Regierung grob gesagt entweder permanent auf den PrĂŒfstand oder hat sie ĂŒberhaupt nicht am Radar. Hohe Aufmerksamkeit heiĂt hier in der Regel Beobachtung unter verschĂ€rften Bedingungen, denn Vorurteile wie âarbeiten fĂŒr sich und nicht fĂŒr das Volkâ, âarbeiten nur fĂŒr die GroĂenâ oder âsind unfĂ€higâ (um noch bei den höflicheren AusdrĂŒcken zu bleiben) sind Parameter, die in die subjektiven Bewertungen einflieĂen und tĂ€glich durch unterschiedlichste Player im öffentlichen Leben in den meisten FĂ€llen gezielt erneuert und befeuert werden.
Der Anspruch an Regierungen ist enorm: KomplexitĂ€t und Verwobenheit der Sachlagen sind in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Eine Entscheidung x hat zwangslĂ€ufig vielfache Auswirkungen auf y, z, a, b, c usw. Es ist meistens unmöglich, eine Entscheidung zu treffen, die neben intendierten positiven Effekten fĂŒr die eine Zielgruppe nicht gleichzeitig auch individuellen Interessen anderer Zielgruppen entgegenlĂ€uft.
Die Sache mit dem Individualismus und Kollektivismus
Menschen bewerten die Regierungsarbeit aber in der Regel eben ausschlieĂlich aus der eigenen (Interessens)Perspektive. Ein Thema aus mehreren Perspektiven zu beleuchten hat fĂŒr viele keine Top-Prio. Das fĂŒr eine Gesellschaft grundsĂ€tzlich notwendige Vereinen von Individual- und Kollektivsicht ist heute keine weitverbreitete StĂ€rke der Menschen. Im Gegenteil, damit das individuelle Interesse mehr Gewicht hat, werden Einzelinteressen kollektiviert, wobei das oftmals objektiv betrachtet gar kein Kollektivinteresse ist, sondern ein Clusterinteresse.
Das war zwar schon immer so, hat aber in Zeiten von Social Media ganz andere Möglichkeiten bekommen: Man muss pointiert gesagt nur etwas ins Netz hineinrotzen und schon ist die Rolle des WutbĂŒrgers, der rasch VerstĂ€rker um sich schart, gefunden. WutbĂŒrger entwickeln zwar meist inhaltlich nur eindimensionale oberflĂ€chliche Kraft, gewinnen aber durch ihre LautstĂ€rke Druck, der durchaus seine Wirkung auf politische EntscheidungstrĂ€ger haben kann.
Politik ist also aus diesen GrĂŒnden heraus auch bzw. gerade in der gestaltenden Rolle nichts fĂŒr zartbesaitete Menschen, sie ist eines der hĂ€rtesten Businesses. But thatâs part of the game!
4 wesentliche Fallstricke fĂŒr Regierungen
In all diesen Aspekten sind auch die GrĂŒnde dafĂŒr enthalten, warum Regierungen trotz ihrer an sich strategischen Vorteile kommunikativ oftmals ins Straucheln geraten. Und das ist gleichbedeutend mit politisch ins Straucheln zu kommen. Denn Politik heiĂt Kommunikation. Und Kommunikation ist Politik.
- âWasser predigen, Wein trinkenâ: Wer in der Auslage steht, hat enorme Vorbildwirkung. Die Aufmerksamkeit ist Regierungen in hohem MaĂe sicher. Die Skepsis und Voreingenommenheit auch. Werden keine Fehler gemacht, werden von politischen Gegnern mit hoher Wahrscheinlichkeit trotzdem Fehler gefunden oder auch kommunikativ konstruiert. Ein klassisches Fehlverhalten von Regierungen ist es, in der Kommunikation nicht konsistent zu sein. Botschaft A zu setzen und B zu tun oder von anderer Seite B zu kommunizieren. Inkonsistenz und eine Spreizung eines Entscheiders zwischen Sagen und Tun haben enorm negative Auswirkungen. Leben heiĂt auch Widerspruch, aber in den meisten FĂ€llen lieĂen sich fatale WidersprĂŒchlichkeiten in der Regierungskommunikation und dem Regierungsverhalten mit Konsequenz und ProfessionalitĂ€t relativ leicht vermeiden.
- Das Hören auf die eigene Blase: Wer in der FĂŒhrung die Erdung verliert, verliert seine Audience. Auch dieser Fallstrick ist ein Klassiker. Wer dauernd mit Forderungen und Druck zubetoniert wird, neigt dazu, um sich ein âcosy environmentâ zu schaffen. Ăhnliches gilt fĂŒr sehr ausgeprĂ€gte Alpha-Tiere. Regierungsmitglieder gehören fast ausnahmslos zu dieser Spezies. Das Problem dieser Blase ist aber das Fehlen eines konstruktiven Korrektivs â auch in der Kommunikation. Und damit gehen FehleinschĂ€tzungen zu Botschaften, Stimmungen und Erfordernissen rasch einher. Gute FĂŒhrer achten besonders auf ein konstruktiv-kritisches Umfeld. Gute Berater sorgen dafĂŒr, wenn die notwendige konstruktive Kritik (noch) fehlt. ;-)
- âKomplex denken, einfach kommunizierenâ falsch angewandt: So richtig es grundsĂ€tzlich ist, komplexe Inhalte soweit zielfĂŒhrend möglichst klar, eindeutig und einfach zu vermitteln, so falsch ist es, alles und jedes auf den einfachsten Nenner bringen zu wollen. Und dann trotz VerĂ€nderung nicht mehr anzupassen. Die Kommunikationskaskade sollte auch von Regierungen nicht ignoriert werden: die richtig dosierte und weiterentwickelte inhaltliche Aufbereitung von Themen. Das sorgt fĂŒr Transparenz, schafft GlaubwĂŒrdigkeit und Vertrauen und lĂ€sst es zu, bei Interesse tiefer ins Thema einzusteigen. Ja, das ist aufwendig. Aber fĂŒr gute Regierungskommunikation unumgĂ€nglich!
- Goliaths Rolle unterschĂ€tzen: Es ist einfach so: Regierungen stecken in der Rolle des Goliath. Und Opposition bzw. Interessensgegner pflegen oftmals bewusst die Rolle des David. Der optimale Grad zwischen der kommunikativen Attacke bzw. Abgrenzung und dem strategischen kommunikativen Zugehen und Zugestehen von Macht und BĂŒhne, aber auch das kommunikative Eingestehen von Fehlern ist fĂŒr Regierungen sehr schmal. Agiert die Regierung zu hart, fliegen ihr als Goliath keine Sympathien zu, die StĂ€rke wird rasch zur SchwĂ€che. Wer die Underdog-Strategie gekonnt fĂ€hrt, bringt einen Goliath dann schon mal rascher in BedrĂ€ngnis, als man vermuten wĂŒrde. VerfĂ€llt der Goliath aber kommunikativ zu sehr in die Rolle des David, macht er sich unnötig Flanken auf, denn das wird dann rasch als SchwĂ€che ausgelegt. Und gezeigte SchwĂ€che geht so wie Fehler in der Wahrnehmung bzw. subjektiven Bewertung aus Sicht vieler Menschen fĂŒr eine Regierung gar nicht â obwohl beides fixer Bestandteil des Menschen ist.
Hebel fĂŒr mehr Wirkung in der Regierungskommunikation
So sind in der Regierungskommunikation folgende ausgewÀhlte Aspekte wichtig:
- auf Menschen kommunikativ zugehen, Themen reflektieren und empathisch sein und bleiben, aber auch transparent und klar artikulieren, was warum wie gemacht werden muss, auch wenn es nicht allen gefÀllt. Ja, das sagen alle, tun aber wenige, denn es ist viel kommunikative Arbeit, aber unerlÀsslich!
- nicht nur Ziele kommunizieren, sondern auch den Weg dorthin, Meilensteine transparent machen, Zwischenergebnisse zeigen: Wenn etwas verstĂ€ndlicher wird und der Sinn vermittelt wird, dann werden auch âbittere Pillenâ von den meisten Menschen akzeptiert.
- Visionen setzen: Die Perspektive ist entscheidend. Der Blick in die Zukunft wirkt sinnstiftend, schafft Berechenbarkeit, gibt Sicherheit und verstĂ€rkt die so wichtige Anmutung âdie haben einen Plan!â, âdie wissen, was sie tun!â.
- die konstruktive gemeinsame Arbeit in den Vordergrund rĂŒcken: Politik ist per se das GeschĂ€ft der Interessendurchsetzung und des Interessensausgleiches, auch innerhalb einer Regierung. Das sollte aber auch innerhalb geschehen und nicht ĂŒber die mediale, öffentliche BĂŒhne â auch wenn das zur Interessendurchsetzung bzw. Profilierung fĂŒr viele verlockend ist.
- die richtige VerknĂŒpfung aus Leader und Diener: Viele tun sich schwer, diese beiden Aspekte in der Kommunikation zu vereinen; es mag auch widersprĂŒchlich sein, einerseits Entscheider zu sein und gleichzeitig Servicierender. Doch diese Anmutungsmischung schafft eine wichtige Erfolgsbasis fĂŒr jede Regierung. Und sie ist machbar!
- AuthentizitĂ€t, AuthentizitĂ€t, AuthentizitĂ€t: Alle wissen es, wie schlecht politische Kommunikation, die durchgewaschen, durchgeschliffen und ausgebleicht wird, bei Medien und den Menschen ankommen. Ja, klar, es braucht professionelle Kommunikation. Aber authentisch, mit der persönlichen FĂ€rbung, durchaus auch â innerhalb eines gewissen Rahmens â unkonventionell. Das wirkt nicht nur vertrauensbildend, es wirkt in der Regel einfach sympathisch. Und letztlich sind GefĂŒhle fĂŒr die meisten Menschen die entscheidendsten Bewertungsfaktoren, ob eine Regierung einen guten Job macht oder eben nicht.
Waren interessante Aspekte fĂŒr Sie dabei? Dann interessiert Sie vielleicht auch unser Blogbeitrag ĂŒber Kommunikationsfallstricke fĂŒr die Opposition: "Politische Kommunikation: Woran Oppositionen oftmals scheitern".
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