/ Krisenkommunikation

Tourismus und Gastronomie: Warum man Wachstum nicht nachholen kann

MMag. Dr. Peter Weixelbaumer
Strategie & Consulting, CEO cs2 Communication & Strategy Services

Ein chinesisches Sprichwort sagt: "Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die zweitbeste Zeit ist jetzt.“ Oder mit anderen Worten: Man kann Prozesse, die eine gewisse Zeit dauern, nicht nachholen.

Coronakrise, Gastronomie, Symbolbild kleiner Baum
@ pixabay

Gleichzeitig ist aber auch klar: Versäumnisse werden mit jedem Tag des Zuwartens nicht nur prolongiert, sie wiegen mit jedem Tag schwerer. Dazu passend aber auch eine Weisheit aus dem Volksmund: Nachher ist man immer g’scheiter. Soll heißen, Entscheidungen sind rückblickend sonnenklar, in der jeweiligen Situation oder in der Voraussicht aber eben nicht. Und genau hier sind Erfolg oder Misserfolg begründet. Und das durchaus auch anders, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Gerade auch jetzt für Tourismus und Gastronomie.

Die Coronakrise hat mit dem Tourismus und eng damit verbunden der Gastronomie zwei Bereiche tief ins Mark getroffen, die schon vorher hochkompetitiv und oftmals fragil waren. Die Branche leidet traditionell unter einem geringen Eigenkapitalanteil, muss nicht nur in Coronazeiten umfassende behördliche Auflagen stemmen und bedient einen Markt, der nicht nur sehr anspruchsvoll ist, sondern auch in hohem Maße volatil.

More of the same? Wrong!

Die Branche versucht, diesen Herausforderungen mit ausgefeilten Marketingkonzepten und Werbelinien zu begegnen. Das hat auch oftmals gut funktioniert. Und dann kam Corona. Und mit der Krise nicht nur ein für Wochen völliges Wegbrechen des Marktes, sondern auch eine massive Verschiebung des Bedarfs- und Wertekorsetts. Die Menschen ticken gerade in ihrem Freizeitverhalten anders – Corona hat da Veränderungsströme nochmals beschleunigt und verstärkt. Und gleichzeitig disruptive Changes eingeleitet.

Die oftmals gelernte Antwort der Tourismus- und Gastronomiebranche? Wir setzen unsere bereits geplanten und ausgearbeiteten Kampagnen um. Um die Wirksamkeit zu erhöhen, steigern wir die Dosis der Kommunikation, das heißt, wir stecken noch mehr Budget in die Umsetzung, um so mehr Reichweite zu generieren. Das zeigt Präsenz und beruhigt – speziell im Tourismus - auch die (politischen) Verantwortlichen („Herr Landeshauptmann, Herr Ministerpräsident, wir sind sogar am Cover der auflagenstärksten Zeitung des Landes!“) Nur, die Rahmenparameter stimmen nicht mehr.

Um auf das chinesische Sprichwort zurückzukommen: Viele in der Branche haben kommunikativ keinen Baum gesetzt. Jeden Tag, den sie zuwarten, wird der Unterschied zu den bereits gepflanzten Bäumen der Mitbewerber größer. Das kann nicht gut gehen. Und andere wiederum konzentrieren sich auf ihre bereits gepflanzten Bäume. Nur stehen die plötzlich nicht mehr in saftiger Erde, sondern in kargem Felsboden. Bei gleicher Behandlung ist die Gefahr groß, dass der Baum eingeht. Es braucht eine andere Herangehensweise. Und das rasch! Erde zuführen, mehr gießen, Dünger dazugeben. Lieber mehrere junge Bäume pflanzen und so Klumpenrisiko vermeiden. Und und und. Denn die bisherigen Methoden wirken nicht mehr so wie früher. Und die Veränderung durch Corona ist gekommen ...um zu bleiben.

„Hinterherhecheln schafft keine Leads!“

Genauso ist es für die Kommunikation in Tourismus und Gastronomie. Ausgefeilte Kampagnenpläne, die erst Anfang des Jahres gemacht wurden? Eine gute Absprungbasis – aber veraltet! Kommunikationspläne für 2020 bis ins Detail? Ja, aber die Rechnung ohne den Wirt Corona gemacht! Der Tourismus- und Gastronomiemarkt war schon immer sehr dynamisch, jetzt kann er erst recht nicht einfach „fortgeschrieben“ werden. Und mit ihm muss sich die Kommunikation ändern. Nicht den Entwicklungen hinterherhechelnd, sondern die Chancen daraus proaktiv nützend.

Dazu fünf grundlegende Impulse:

„Was ich nicht kenne, kann ich nicht begehren“:
Bekanntheit ist der Ausgangspunkt jeden Erfolgs. Durch die Coronakrise werden die Karten neu gemischt. Gerade auch Nischenanbietern gelingt es jetzt, die Aufmerksamkeit des Marktes zu erregen. Ja, man kann „laut“ sein, um aufzufallen (also zum Beispiel Coverseiten auf Printmedien buchen, ist ok, kann Sinn machen, ist aber nicht lange durchhaltbar). Zielführender und nachhaltiger ist aber die gezielte Ansprache der Marktsegmente mit relevanten Botschaften, die genau ihre Bedürfnisse adressieren. Kommunikative Gießkanne für den Tourismusbaum war gestern, gezielte zielgruppenspezifische Kommunikation – vor allem digital – ist erforderlich.

„Klassisches Tourismus-Image alleine hilft nicht mehr, Begehren zu erzeugen“:
Ja natürlich wollen die Menschen beeindruckende Natur auf sich wirken lassen, pulsierende Städte spüren, die kulinarische Klaviatur über alle Oktaven genießen, die Seele baumeln lassen, einen vollständigen Tapetenwechsel für sich erfahren. Aber Tourismus bzw. Gastronomie verkauft letztlich Leistungsvehikel zur Deckung eines Bedürfnisses dahinter. Und da haben Sicherheit, Stabilität, Vertrautheit, Berechenbarkeit und Nähe plötzlich ganz stark an Wertigkeit gewonnen. Das Sujet mit dem Blick vom Berg auf den See oder das bunte Bild einer Stadt bei Nacht wirkt weiterhin stark. Aber es fehlen die neuen Wertigkeiten als siamesischer Image-Zwilling. Oberflächliche und abgeschleckte Marketingbotschaften können das aber nicht liefern.

„Nähe schlägt Masse“:
Kommunikation war schon immer ein Dauerlauf und definitiv kein Sprint. Das gilt für die Kommunikation im Tourismus- und Gastronomiebereich heute mehr denn je. Es gilt, die Zielgruppen konsequent und kontinuierlich mit relevanten Botschaften zu versorgen. Und kaum eine Branche eignet sich besser für gekonntes Storytelling. Ein Bedarf beginnt im Zusammenspiel von Herz und Kopf. Wem es heute in der Branche nicht gelingt, den Kunden vorab in eine kommunikative Erlebnisreise in seine Tourismusregion, seine Tourismuseinrichtung, seine Gastronomie zu bringen, der wird es im harten Getöse des Wettbewerbes sehr schwer haben. Apropos Nähe: Durch die Zurückhaltung in der Reisebereitschaft tun sich neue Marktchancen auf: Menschen, die konsequent die Ferne suchten, entdecken plötzlich die Nähe: ein hochattraktives Segment, das es zu gewinnen gilt.

„Der Wettbewerb wird nicht über den Preis gewonnen, sondern über Kommunikation“:
Eine große Gefahr in der Branche liegt darin, sich über die Preisgestaltung Wettbewerbsvorteile sichern zu wollen und so eine negative Preisspirale auszulösen. Das Problem dabei: Die ohnehin angespannte Deckungsbeitragssituation wird damit weiter verschlechtert. Und vor allem: Verhaltensbarrieren lassen sich nicht über den Preis regeln. Ein Beispiel: Bungee-Jumping ist ein Kick, den sich vergleichsweise wenige Menschen geben. Der Großteil der Menschen würde auch bei einer Prämie nicht von der Brücke springen. Effekte würden erst bei einer relativ hohen Prämie auftreten – aber nachhaltiger Erfolg sieht anders aus. Menschen sind bereit, für die Deckung ihrer Bedürfnisse zu bezahlen. Sie müssen aber eben gedeckt werden – das gilt erst recht für eine neue Bedürfnisstruktur, die durch Corona entstanden ist und von vielen in der Tourismusbranche hartnäckig ignoriert wird. Quality counts, not quantity. Und das lässt sich im Vorfeld nur durch konsequente Kommunikation vermitteln und transportieren.

„Erfolg kauft Erfolg“:
Wer unter Druck steht, wird diesen nicht abbauen, indem er der Welt vermittelt, dass sie schuld ist. Der Schlüssel zum Erfolg liegt auch im Tourismus- und Gastronomiebereich nicht darin, ein „rosa Weltbild“ zu zeichnen. Aber er liegt darin, als Unternehmer und Manager mit neuen Rahmenbedingungen proaktiv umzugehen und sie konstruktiv zu nützen. Niemand wählt gerne einen Lieferanten, dessen Kommunikation von der ersten bis zur letzten Sekunde mit Negativbotschaften, Opferrollen und Rettungsforderungen durchsetzt ist. Menschen sehnen sich gerade in ihrer Freizeit nach einer „heilen Welt“ – dazu gehören positive Botschaften und das Gefühl, dass mein Lieferant einen Plan hat, weiß, wie er mit geänderten Rahmenbedingungen umgeht, mich als Kunden in den Mittelpunkt stellt, seine Sache mit Herzblut, Leidenschaft und Zuneigung macht. Erfolg kauft Erfolg. Positives sucht Positives. Nützen Sie das nicht nur in Ihrer Kommunikation, sondern auch in Ihrem daily business.

Feedback, Anregungen, Fragen zu diesem spannenden Themenkreis? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung: office@cs2.at

Verwandte Nachrichten